
Regine Müller (SPD): Vernetzung und neue Konzepte sind gefordert. Schwalm-Eder-Kreis. Vergangene Woche lud Regine Müller, Seniorenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, zu einer öffentlichen Fachdiskussion zum Thema Pflege und altersgerechtes Wohnen im ländlichen Raum in den Anbau der Kulturhalle Ziegenhain ein.
Ein siebenköpfiges Podium versuchte Antworten auf die drängenden Fragen zu geben, die durch den demografischen Wandel auch im Schwalm-Eder-Kreis auf uns zukommen werden. Werner Wieland, Geschäftsführer und Heimleiter des Diakoniezentrum Frielendorf, machte mit seinem Eingangsstatement klar: Ich engagiere mich vehement dafür, gemeinschaftliche, selbstbestimmte Wohnformen zu konzipieren und anbieten zu können.
Es wird in naher Zukunft kaum noch möglich sein, alle Menschen, die nicht mehr allein leben können oder wollen, in stationären Einrichtungen zu versorgen. Angela King, Geschäftsführerin der Sozialstation des DRK Schwalm-Eder Schwalmwiesen in Ziegenhain machte einen besonderen Punkt: Stationäre Pflege und individuelles Wohnen schließen sich nicht aus. Das erlebe ich jeden Tag aufs Neue.
Die Verwaltung des Schwalm-Eder-Kreises war mit zwei Fachleuten vertreten. Bernhard Ebel, Stellvertretender Leiter der Sozialverwaltung im Schwalm-Eder-Kreis, öffnete die Diskussion in Richtung der Kosten: Die Altersarmut wird wie eine Welle über uns einbrechen. Sehr viele Menschen nehmen unsere Hilfe bereits in Anspruch.
Sonja Weidel vom Pflegestützpunkt Schwalm-Eder beschrieb die Aktivitäten der Anlaufstelle für ältere Menschen im Kreis wie folgt: Wir beantworten alle Fragen um die Themen Pflege, Versorgung und Vernetzung. Das seien wichtige Angebote, meinte Anne-Marie Kullak, die als Seniorin, Leiterin des Seniorentreffs Schwalmstadt und langjährig ehrenamtlich aktive Bürgerin aus Schwalmstadt am Podium teilnahm. Sie fügte aber hinzu: Der Pflegestützpunkt in Homberg ist zu weit weg für uns ältere Menschen in den Städten und Dörfern. Deshalb müsse man vor Ort aktiv werden und sich mit anderen vernetzen.
Die Zukunft bei der Betreuung Hilfe- und pflegebedürftiger Menschen liegt jenseits
klassischer Heimstrukturen bei alternativen Wohn- und Betreuungsformen. Wir brauchen mehr wohnortnahe Versorgungsstrukturen, die eine echte Alternative zu stationären Einrichtungen bieten. Dies fordert Heinrich Bambey, der sich als Projektberater für die Entwicklung von Wohn- und Betreuungskonzepten für ältere Menschen bundesweit einen Namen gemacht hat. Er hält den Aufbau von Altenhilfe-Netzwerken in jeder Großgemeinde für dringend notwendig. Alle Dienste in einer Gemeinde sollten zu einem Netzwerk von Unterstützungs- und Versorgungsangeboten verwoben werden, das Hilfe- und Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in ihrer häuslichen Situation zuverlässig trägt und unterstützt. Bambey: Ein gut koordiniertes Ganzes kann mehr sein als die Summe einzelner, nicht abgestimmter Angebote.
Gemeinsam formulierten Bambey und Wieland Kritik am neuen Heim- und Pflegegesetz der Landesregierung: Das Gesetz stellt alternative Wohnformen wie Senioren-WGs auf eine Ebene
mit professionellen Heim- und Pflegeeinrichtungen. Das macht eine Finanzierbarkeit fast
unmöglich.
Bernhard Ebel fügte hinzu, dass ein Heimplatz die öffentlichen Kassen weitaus mehr kostet, als
vergleichbare alternative Wohnformen.
An die intensiv geführte Podiumsdiskussion schloss sich eine lebhafte Diskussion mit den anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern an.
Sehr deutlich wurde, dass es unumgänglich werden wird, neue, niederschwellige Hilfsangebote
und Beratungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene anzubieten. Die bereits bestehenden professionellen und ehrenamtlichen Strukturen müssen besser vernetzt werden, um pflegende Angehörige zu unterstützen und -hilfesuchenden Menschen Unterstützung zur Erhaltung größtmöglicher Selbstständigkeit und Eigenbestimmung zu ermöglichen.
Politisches und gesellschaftliches Ziel muss sein, soviel Hilfe zum Leben zu geben, dass möglichst viele Menschen das tun können, was die meisten sich dringend wünschen: Selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden alt werden.